Mittwoch, 13. November 2024

Made privat?

In den letzten Monaten habe ich überlegt, wo ich am besten wieder etwas mehr über mich selbst und mein Leben schreibe.
Da ich mich nunmal “Madekozu” nenne und wir hier auf madekozu.de sind, sollte das doch der passendste Ort dafür sein, oder?

Was drohe ich euch hier an?
Wer mich nun schon 20 Jahre oder länger kennt, wird sicher genau wissen, wo die Reise hingeht. Ich befinde mich heute in einem ähnlich “radikalen” Umbruch, wie Anfang der 2000er, als ich meinen Sohn “aufgab” und einen Schlußstrich unter mein bisheriges Leben zog.

Geschehnisse 2024
In einer ähnlichen Phase befinde ich mich aktuell wieder. Ich habe vor etwas mehr als einem halben Jahr, aus mir sehr wichtigen Gründen, meine “Wahlheimat” Baden-Württemberg verlassen und bin mit meiner Familie zurück in das Haus meiner Eltern gezogen, um rechtzeitig da zu sein, bevor sie Hilfe benötigen. Dieser Plan setzte allerdings voraus, dass meine kleine Familie auch so akzeptiert wird, wie sie sind. Schließlich sollten vor allem sie es sein, die im Alltag für meine Eltern da sein sollten. Ich selbst hätte wieder dafür gesorgt, dass wir uns das auch leisten können.
Dieser Plan ging nicht auf. Vom ersten Tag an wurde meiner Tochter zu verstehen gegeben, dass sie schnellstmöglich wieder verschwinden soll. Meiner Partnerin wurde zu jeder Gelegenheit klargemacht, was mein Vater von Veganern und ihrer Arbeit hält. Bei jeder Gelegenheit wurde sich lustig darüber gemacht. Angeblich, weil der werte Herr sich um ihre Rente sorgen macht - schon klar.
Fakt ist, niemand, nicht einmal meine Eltern treiben einen Keil zwischen mich und meine Familie oder machen sich gar lustig über sie. Das Ende vom Lied - ich habe meine Pläne wieder geändert, nachdem ich alles aufgegeben habe, was ich hatte.

Gut, in Baden-Württemberg, vor allem mit meinem letzten Arbeitgeber, welchen ich nach 14 Jahren gekündigt hatte, wäre ich auch nicht mehr weit gekommen. Das lag aber nicht an ihm, sondern vor allem an “der neuen Generation von Kunden”, also jenen, die mit Amazon und Co aufgewachsen sind und meinen, Handwerk würde auch so funktionieren. Dazu noch vermeintliche gesundheitliche Probleme, die aber so gut wie weg sind, seit ich mich nicht mehr täglich mit herablassenden Kunden herumzanken muss. Vermutlich kam das alles aus dem Kopf und ich hab es in mich hineingefressen. Mein neuer Arbeitgeber sollte also kein Handwerksbetrieb mehr sein.

Fassen wir zusammen: Mit meinen Eltern und Brüdern habe ich gebrochen. Den Beruf, den ich einst liebte, hasse ich seit einigen Jahren. Vom Juli bis Oktober habe ich mich mit meiner kleinen Familie eingeigelt, wären die beiden nicht, hätte ich mich vielleicht sogar aufgegeben.

Neue Ziele
Mitte Oktober habe ich mir eine Deadline gesetzt: In vier Wochen habe ich einen, für diese Region gut bezahlten Job in der Industrie! Hierfür habe ich mich am 17.10. bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet, um Kontakte in den -Industriebereich zu bekommen. Im Handwerksbereich könnte ich hier jederzeit anfangen, aber es wäre ein Rückschritt zu meinem letzten Job gewesen. Es wäre wieder Handwerk, Risiko auf Montage und schlechter bezahlt als bei meiner alten Firma. Es wäre also wieder der Job, den ich zu hassen gelernt habe. Aber deshalb hab ich die Fühler ja in die Industrie ausgestreckt und bin da auch fündig geworden. Die ersten 4 Kandidaten waren schon mal nicht schlecht, aber die Bezahlung eher “bescheiden”. Das wäre auf Dauer eher ein Überleben als ein Leben, also nicht viel mehr, als die letzten Jahre.
Ich hatte aber noch 3 weitere Kandidaten in der Hinterhand, bei denen ich um einiges mehr (fast das doppelte) verdienen würde. Einer davon wäre aber wieder bundesweite Montage, das möchte ich nicht, hab ich von 1994-2001 gemacht, diese vernichtet aber Beziehungen, danke - kein Bedarf. Der nächste Kandidat ist ein Getränkehersteller hier aus der Region. Nachteil wäre hier die lange Anfahrt von ca 1,3h je Strecke. Der letzte Kandidat ist gerade einmal 20 Minuten von hier, bietet für meinen Beruf sehr gute Rahmenbedingungen, allerdings sind hier ein paar Vorbereitungen meinerseits nötig, das es sich um einen Lebensmittelhersteller handelt. Dafür benötige ich noch einen Gesundheitspass und muss meine Finger noch von 2 Ringen befreien, welche seit ca 15 Jahren nicht mehr vom Finger gehen. Worum es sich hier handelt, dazu komme ich später noch. Morgen früh 10 Uhr ist der Termin für den Gesundheitspass, Freitag wird der Vertrag unterschrieben und Montag geht es los.

Der Veganer im Schlachthof
Wer sich ein wenig mit mir beschäftigt hat weiß, dass ich nun schon eine längere Zeit vegan leben. Dennoch wird mein nächster Arbeitsplatz in einem Schlachthof sein. Ich bin dort in der Technikabteilung zu gange und sorge dafür, dass alles reibungslos funktioniert. Vielen Veganern wird jetzt der Gedanke durch den Kopf schießen “Du Verräter, wie kannst du nur?”. Ja, wie kann ich nur dafür sorgen wollen, dass im Sommer kein LKW auf dem Hof stehen bleiben muss, weil in der “Fleischfabrik” die Technik versagt? Wie kann ich nur dafür sorgen wollen, dass die “Tötungsmaschinerie” so fehlerfrei wie möglich funktioniert? Ich habe meinen Teil getan, ich lebe vegan (nicht ich ernähre mich vegan - ich lebe vegan) und tue alles dafür, das Tierleid so gut es geht zu verhindern. Es bringt absolut nichts, mich vor einem Schlachthof zu stellen und die Zufahrten zu blockieren, Leute in den Fleischfresstempeln anzuschreien - eher das Gegenteil ist der Fall. Das einzige, was wirklich etwas bringt, ist sich selbst dem Konsum zu entziehen und durch die Politik den Weg vorzugeben.
Warum sollte ich den Betreiber/Inhaber eines Schlachthofes verurteilen? Das sind Geschäftsleute die Geld verdienen wollen. Das können sie nur, wenn sie auch einen Markt bedienen können. Können sie dies nicht mehr oder sehen sie in einem anderen Bereich bessere Chancen, so werden sie auch diesen Weg gehen. Siehe Rügenwalder mit der ständigen Erweiterung des veganen Sortiements, Schau auf Gutfried veggie oder Vevia (beides Tönnies), auch dort wird bereits reagiert und es werden immer mehr folgen. Wer weiß - ich bin noch 15-20 Jahre im Geschäft, vielleicht baue ich ja sogar diesen Schlachthof noch mit um. Nein, ich kann weder den Bauern noch alle anderen die später in der Kette folgen dafür verurteilen, was sie tun. Ich kann jeden Politiker verurteilen, der sich nicht für Tierrecht, also gegen Tierleid einsetzt verurteilen oder im Falle von Markus Söder sogar verachten. Ich kann Verbraucher darauf hinweisen, was sie da tun, ohne sie anzuschreien. Als Kind habe ich gelernt, “wer schreit hat Unrecht”! Den Bauern, Schlachtbetrieb, Metzger zu verurteilen ist in etwa so, als würde ich der Verkäuferin bei Aldi ins Gesicht schreien “WIE KANNST DU NUR MIT TIERLEID DEIN GELD VERDIENEN!”.
Vegan leben bedeutet, Tierleid so gut es geht einzuschränken. Wenn mein Beitrag also ist, dafür zu sorgen, dass die Maschinen nicht ausfallen, ist das auch ein wichtiger Schritt, auch wenn er sehr viel Überwindung kostet. Vor allem, wenn ich daran denke, ganz am Anfang der “Verabeitungskette” die Technik am Laufen zu halten, also eben an jener Stelle, an der ich das Leid sehen und ertragen muss. Ich bin der Meinung, dass jedem, der etwas am Wohl der Tiere liegt und es in sein berufliches Feld passt, genau an diesen Stellen sein Können zeigen sollte. Wem die Tiere egal sind, dem ist es am Ende auch egal, ob dieser erste Teil der “Produktion” auch möglichst “schonend” funktioniert. Ja, es ist falsch, sich Fleisch zwischen die Zähne zu schieben, aber der Markt ist nunmal da und wird nicht von heute auf morgen verschwinden. Es braucht Zeit und so lange braucht es auch Leute in genau diesen Bereichen, die das Leid so gut es eben geht, eingrenzen. Denk daran, wenn du das nächste Mal eine Einfahrt zu einem Schlachthof blockierst oder Leute auf der Straße anschreist. Denk auch daran, dass ich als Veganer mit beiden Beinen in dem Blut stehen könnte, welches von deinem Schnitzel kommt. Nicht der Bauer, Schlachter, Händler oder auch ich bin der Schuldige - nur allein du! Die Politik kann lenken. CO₂ zur Betäubung? Klar, ist billig, aber es würde auch “besser” gehen. Helium, Stickstoff oder Argon, so heißt es, sind noch nicht praxisreif, was aber wohl nur an den höheren Kosten liegen dürfte. Wo ist der Politiker, der sich dafür einsetzt, CO₂ dort zu verbieten? Wie reagieren die Produzenten darauf? Würde der Verbraucher die Mehrkosten zahlen oder schmeckt ihnen das Fleisch plötzlich nicht mehr? Wie wäre es, die Subventionen besser zu verteilen? Tiere fressen auch Pflanzen! Da hätten alle was von.
Ja, eigentlich sollten Veganer im Schlachthof arbeiten, aber die Realität sieht leider anders aus. Viele werden Veganer, nachdem sie im Schlachthof gearbeitet haben. Aber das ist wieder ein ganz anderes Thema … oder doch nicht?

Wie gehts dann weiter?
Sollte ich die ersten Monate überstehen, hab ich vermutlich auch meine Schulden bei der Spaßkasse beglichen. Meine Tochter sucht hier nach einem Ausbildungsplatz und je nachdem wo dieser ist, wird sich unsere Zukunft weiter abspielen. Wir ziehen wieder um. Dorthin, wo sie einen Ausbildungsplatz gefunden hat. Wir bleiben hier in Sachsen-Anhalt, da, wenn ich meinen neuen Arbeitsplatz verkrafte, auch bis zum Ende dort bleiben möchte. Nur mal so ein paar Zahlen: Im Handwerk würde ich hier irgendwas zwischen 1800 und 2500 Euro verdienen. Bei meinen neuen Arbeitgeber reden wir von einem Einstiegsgehalt von ca 3800 Euro, was für meinen Beruf in dieser Region durchaus ein guter Wert ist. Dann wäre vielleicht noch die betriebliche Altersvorsorge usw nennenswert. Finanziell also gar nicht so schlecht. Natürlich geht es um Schichtbetrieb, was für viele abschreckend ist. Ich finde das aber sehr gut, da ich so auch mal zu einem Termin bei einem Amt oder Arzt kann, ohne jedesmal einen Tag Urlaub zu nehmen. Schauen wir mal zurück nach BaWü - dort begann mein Tag 5:30 Uhr, “schick machen”, frühstücken und ab ins Geschäft. Da die Straßen immer verstopft waren, bin ich weit vor Arbeitsbeginn losgefahren, um pünktlich beim Kunden zu sein. Oft begann meine Arbeitszeit also erst 7:30 Uhr/8:00 Uhr, manchmal sogar noch später. Das habe ich immer erst 6:30 Uhr erfahren, da war ich aber schon lange in Stuttgart (26km vom alten Wohnort) um den Stau zu umgehen. Ich hatte dort eine 45h Woche, sprich 9h täglich. Dazwischen noch bissel Pause, man kann also von 10h ausgehen. Die Fahrt zurück hat auch nochmal ca 1h gefressen, weil wieder alles dicht war. Ich war also fühestens 18:00 Uhr wieder zurück. So lief es zumindest 10 Jahre lang. 2020 ging es bei mir bergab. Ich hatte kurz vorher eine Augen-OP, dann kam Corona, mich hat es 2x erwischt, einmal leicht, einmal heftig. Die Kunden haben sich verändert, Handwerker wurden als Abzocker bezeichnet, ich habe kaum noch Pausen gemacht um etwas eher heim zu können, es wurde immer schlimmer. Ich habe die Lust an meiner Arbeit verloren, sie schlicht und einfach gehasst. Meine letzen “Altkunden” sind weggestorben und ich hatte mit der Amazon, Wish, Temu und TikTok-Generation zu tun. Schluss, ich konnte nicht mehr, das war zuviel. Ich hab zugenommen, bin unmotiviert ins Geschäft. Mein Körper versagte irgendwann. Baustellen ohne Toilette, immer nur stundenlang auf Parkplatzsuche, Zeug durch die Gegend schleppen, sehr oft vor Erschöpfung einfach aus den Latschen gekippt. Im Sommer ging gar nichts mehr. Gesundheitlich gehts mir inzwischen wieder prima, mir fehlt zwar etwas Bewegung, aber ich bin fit und motiviert.
Jetzt bin ich aber leicht vom Thema abgekommen. Also Reihenfolge ist: Ab nächste Woche im Schichtbetrieb gutes Geld verdienen, dabei mir selbst treu bleiben und das in einem Bereich, bei dem die Motivation von allein kommt. Ich muss mich nicht mehr mit Kunden rumzanken, weiß jeden Tag wo es hingeht, wann ich anfange und wann aufhöre (Ausnahmen bestätigen die Regel - wenns irgendwo klemmt, kanns natürlich auch gern mal länger dauern). Ich kann tagsüber Termine wahrnehmen, ohne Urlaub nehmen zu müssen (Paket abholen, beim Arzt durchchecken lassen usw), meine Finanzen werden saniert und ich komme aus dieser unerträglichen Situation wieder heraus, in die ich meine kleine Familie gebracht habe, nur weil ich meinen Eltern helfen wollte. Ich hab noch vier andere Brüder - jetzt seid ihr dran, ich hab alles versucht, den Wunsch meines Vaters, hier in diesem Haus bis an sein Lebensende zu bleiben, zu erfüllen. Dazu gehören aber auch meine zwei Mädels, diese werden nicht so akzeptiert wie sie sind, sondern sollen in ein typisches 60er-Jahre-Weltbild passen - ohne uns. Wir sind raus.

Auf der Suche nach einer neuen Wohnung
Der Ort steht noch nicht fest. Am liebsten wäre mir Weißenfels oder die nähere Umgebung, aber auch Zeitz wäre noch im Rahmen des Möglichen, das würde meine Pendelzeit zwar verdoppeln, aber ich bin immer noch weit unter einer Stunde. Also alles gut.
Was schon fest steht - es soll eine 4-Raum-Wohnung werden. Wir sind zwar nur 3 Personen, aber die Häkelstube soll einen eigenen Bereich bekommen. Hier findet sich auch der Grund, warum ich hier in der Region bleiben möchte. Für das Geld, was ich in BaWü für meine kleine 2-Zimmer-Kellerwohnung bezahlt habe, bekomme ich hier schon eine 4-Zimmer-Wohnung in Weißenfels. Heizung wird zwar teuer (Fernwärme - in BaWü hatten wir Gas), aber ich glaub so gravierend dürfte der Unterschied gar nicht mehr werden.
Dann die Tatsache, dass ich viel mehr verdienen werde, als in meinem alten Tätigkeitsbereich. Wir werden also mehr Platz und mehr Geld haben.
Meine Tochter wird endlich eine Ausbildung beginnen können, sie hätte in BaWü schon eine beginnen können, aber da stand der Umzug schon auf dem Plan und nur deshalb ist sie noch ohne Ausbildungsplatz. Es war eines der vielen Opfer, welches wir für meine Eltern gebracht haben. Hier sei vielleicht erwähnt, dass meine Tochter nicht jede Ausbildung machen kann, eine Sozialphobie ist kein Schnupfen der mal eben so auskuriert. Es ist also etwas schwieriger. Wenn die Suche zu lange dauern sollte, dann kommt doch erst die Wohnung und dann die Ausbildung.

Wann ziehen wir wieder um?
Wenn meine Schulden bei der Spaßkasse getilgt sind und ich einen kleinen Puffer ansparen konnte, geht es mit dem Umzug auch schon los. Angepeilt ist ab Mitte 2025. Diesmal aber nicht in so einer spontanen Hauruck-Aktion wie der letzte Umzug, es eilt nicht. Ich bin mit meinem Vater soweit im reinen. Er weiß was geschieht und warum ich seinen Wunsch so nicht erfüllen kann. Wir beide wussten, dass dieser Knall kommen kann, allerdings hätten wir beide nicht gedacht, dass der so heftig wird. Im nachhinein hätte ich es aber ahnen können. Wie auch immer. Wir werden nicht rausgeschmissen und ich bin auch nicht aus der Welt. Im Notfall bin ich da, aber auch wirklich nur dann. Den Alltag muss er alleine stemmen und wenn er es nicht im Haus schafft, dann muss es eben verkauft werden und er mit meiner Mutter in eine handlich Wohnung ziehen, solange es noch geht. Mehr kann ich nicht mehr tun. Ich bin in Reichweite und finde einen Weg, im Notfall da zu sein, bis mich einer meiner Brüder oder deren Frauen ablösen können. Findet sich keiner, riskiere ich aber nicht noch einmal meine Zukunft. Meine zwei Mädels stehen an erster Stelle!
So schnell es geht, ziehen wir also in eine geräumige Wohnung, so dass jeder einen Rückzugspunkt hat, meine Tochter endlich auch mal Besuch mit nach Hause bringen kann und ich nach 24 Jahren endlich mal sagen kann: “Ich bin zu Hause”, denn meine Wohnung in BaWü war eigentlich nur als Zwischenlösung für mich allein gedacht, nicht für 3 erwachsene Menschen.

Wie mobil wollen wir sein?
Nach der Finanzsanierung und der neuen Wohnung steht auch die Frage im Raum, wie mobil wollen wir sein oder besser: Wie wollen wir mobil sein?
Ich fahre seit Jahren einen alten Stinkediesel. Das ist eine alte Gurke, hat schon etliche Kilometer auf dem Buckel und klingt inzwischen, als ob er jeden Moment auseinenader fällt. Aber er läuft. Allerdings gehört er mir nicht. Der Karren gehört meinem Vater. Er hatte ihn mir mal überlassen, vermutlich, dass ich unkompliziert aus BaWü zu ihm kann. Die meiste Zeit stand er nur rum. Mal ein Wochenendeinkauf, ganz selten mal eine längere Strecke zur Familie. Selten aber eben mehr als 20km am Tag. Das ließt sich genau so falsch, wie es ist. In BaWü hätte ich ihn nicht einmal gebraucht. Das bissel einkaufen hätte ich auch auf dem Rückweg vom Geschäft machen können (und hab das auch fast immer getan).
Jetzt sieht die Sache aber anders aus. Ohne PKW wird es schwer, auf Arbeit zu kommen. Die Öffis fallen hier regelmäßig wegen Personalmangel aus. Ich kann mich also nicht auf sie verlassen. Auf der anderen Seite will ich mir aber auch nicht sagen lassen, ich würde meinen Vater nur ausnutzen.
Also steht ein Kauf an - ich brauch ein Auto. Jetzt könnte ich meinem Vater 800 Euro in die Hand drücken und den Stinkediesel ummelden oder ich fahre ihn noch ein Weilchen und kaufe mir dann ein anderes Auto. Kein neues, ein Gebrauchter reicht mir völlig. Ich werde weiterhin in erster Linie kurze Strecken zurücklegen, daher wäre eine Akkukarre schon in der engeren Wahl. Wenn der mit einer Ladung noch 180km-200km schafft, würde das völlig reichen. Allerdings ist ein Auto für mich ein reiner Gebrauchsgegenstand und ich bin nicht bereit, viel Geld dafür auszugeben. 10.000 sind das absolute Maximum. Bei den Elektrokarren bleibt da nur noch der Renault Zoe und der Dacia Spring übrig. Beim Renault zahlt man monatliche Batteriemiete, ist nicht so mein Ding. Bleibt also nur der Dacia. Die meisten werden mit einem Kilometerstand von 10k oder höher angeboten. Genau da, wo laut Berichten auch komische Klack/Klappergeräusche kommen, wenn man von der Verzögerung wieder Beschleunigt. Keiner weiß so wirklich was das ist, aber bei allen fing es wohl bei einem ähnlichen Kilometerstand an. Nee, dann lieber doch erstmal keine Akkukarre. Wüsste ja auch noch gar nicht, wo ich die nun lade. Säulen gibt es hier, kein Problem. Aber ich würde gern auch zu Hause laden können. Was als Mieter eher schwierig ist. Den Gedanken lasse ich also doch erstmal.
Wenn es also keine Akkukarre wird, kann ich also auch den Stinkediesel abkaufen und mir später Gedanken machen oder, ich kaufe das Nachfolgermodell als Benziner. Das wäre ja auch schon mal ein kleiner Schritt. Den bekomme ich auch schon unter 6000 Euro, sollte also kein Problem sein.
Kauf ich nun aber vorher noch den Diesel von meinem Vater ab, wegen meinem Gewissen? Ich weiß es nicht. Vermutlich aber schon, ich will ja einen kompletten Schlussstrich unter dieses Kapitel setzen.

Hat das echt jemand gelesen?
Falls ja, erkennt man vielleicht, wie sehr die Zahnräder gerade in meinem Kopf rattern. Ich bin der Meinung, ja - so wäre es der richtige Weg. Gleichzeitig habe ich aber Zweifel. Ist er das wirklich? Gäbe es noch einen weiteren Weg? Ist die Reihenfolge so richtig? Halte ich meinen neuen Job durch? Bereue ich diese Entscheidung bald genau so wie die, in BaWü alles aufgegeben zu haben? Hab ich das überhaupt? Hätte ich dort noch die Kurve bekommen können? Nein - BaWü wäre auf keinen Fall mehr gegangen. Auch wenn ich meinen Eltern nicht den Wunsch meines Vaters erfüllen kann, so will ich doch da sein, wenn einer von beiden mich braucht. Dafür muss ich entweder flexibel genug sein, oder wenigstens in Reichweite. Ich habe beides versucht, aber das geht nicht. Bleibt also nur noch die Reichweite. Wenn es sein muss, kann ich jeden Tag nach dem Rechten schauen. Mehr aber auch nicht.

  1. Sirea

    Freitag, 15. November 2024 um 11:05:42

    Ja, das hat sich tatsächlich jemand durchgelesen. Das nur mal kurz angemerkt ;)

    Ob man am ende das richtige oder falsche macht weiß man ja (leider) nie im vorraus. Aber zumindest kannst du selbst dir ja aber dann sagen das du es versucht hast. Sei es den Wunsch des Vaters zu respektieren und versuchen ihn zu erfüllen oder eben den Job annehmen ohne zu wissen ob man es dort packt oder nicht.

    Kurzer fakt am Rande. Ich habe auch Sozialphobie, verstehe daher absolut die problematik deiner Tochter und was das im Alltag alles bedeuten kann - habe meine Umschulung im kleineren Rahmen gemacht und arbeite jetzt als Verkäuferin. Aber eben in einem Geschäft wo tatsächlich recht wenig zulauf ist und daher alles einerigermaßen entspannnt von statten geht (Das ich dennoch laut meiner Smartwatch auf arbeit einen Marathon laufe pulsmässig ignorieren wir einfach). Natürlich verdient man jetzt dort nicht die Welt aber das Mentale und Körperliche Wohlbefinden sollte man einfach nie ausser acht lassen und daher sind manchmal solche Dinge einfach nicht die oberste Priorität.

    Sie schafft das. Bin mir sicher das sie mit euch auch ausreichend Unterstützung an ihrer seite hat :)

    Es ist natürlich nicht schön zu sehen das jemand tatsächlich alles “aufgibt” um am Ende nicht so angenommen zu werden wie man ist. Tatsächlich bin ich fast schon ein wenig entsetzt das es so ist wie es ist. Outing am Rande …. wir kennen bz. kannten uns und ich kenne deine Eltern von früher und tatsächlich enttäuscht es mich fast schon selbst das es jetzt so abläuft. Man sollte annehmen das man als Elternteil die Familie des Kindes auch wie ein eigenes Familienmitglied aufnimmt und sie auch entsprechend aktzeptiert und behandelt und nicht wie einen fremdkörper den man abstößt. Nach wirklich sovielen Jahren noch so auf Frau und Kind zu reagieren ist sehr schade und respektlos. Aber manchmal kann man einfach nicht in die Köpfe schauen und ich kenne auch nicht die Umstände um beurteilen zu können inwiefern da vielleicht noch gesundheitliche Dinge und co mit rein spielen die auch Menschen sehr verändern können.

    Daher musst du bzw. ihr euch auch immer vor Augen halten das ihr es ja wirklich versucht habt. Das es am Ende aber nicht so funktioniert hat wie erhofft ist dann etwas das man nicht ändern kann außer man opfert sich selbst komplett auf und damit ist am ende weder den Eltern noch euch als Familie in irgendeiner weise geholfen. Ein schlechtes Gewissen oder Vorwürfe sollte man sich da im nachheinein nicht machen denn ihr habt schliesslich alles aufgegeben um da zu sein ….. aber das muss nun mal von beiden Seiten her kompromissbereitschaft vorhanden sein ansonsten funktioniert es dann einfach nicht.

  2. Madekozu

    um 13:47:23

    @Sirea

    Ja, du kanntest sie. Damals standen beide noch “mitten im Leben”, doch jetzt geht es leider langsam aber sicher dem Ende zu.

    Natürlich spielen gesundheitliche Dinge da auch eine sehr große Rolle. Dann sind neben mir noch 2 erwachsene Menschen hier, die nicht ins Weltbild meiner Eltern passen. 3 Generationen unter einem Dach geht nur selten gut.

    Ich bin enttäuscht - weniger von meiner Mutter, als viel mehr von meinem Vater. Gleichzeitig war er aber seit meiner Scheidung immer für mich da, wenn ich Probleme hatte. Leider ist er heute fest der Überzeugung, dass er mich und meine zwei Mädels dieses Jahr gerettet hat. Er hat ja auch nicht gesehen, dass wir seit 2021 alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, dieses Jahr hier zu sein. Von uns war gar nicht geplant, hier ins Haus zu ziehen - wir wollten eigentlich eine Wohnung hier im Ort mieten.

    Danach kam eins nach dem anderen. Fakt war - wir sollten gleich direkt hier einziehen und wenns nicht klappt, dann ziehen wir eben wieder aus. Dafür hätten 5 Worte gereicht: “Es klappt nicht mit uns”. Meiner Tochter aber unter die Nase zu reiben, sie solle doch zu ihren Kerl ziehen und die Arbeit meiner Partnerin fast ins Lächerliche zu ziehen, mit Aussagen wie “Davon wollt ihr leben?”. Nun - wir haben viele Jahre davon gelebt, es war einer von vielen Bausteinen, die uns in BaWü über Wasser gehalten haben. Die Zeit, während meine Augen nicht mehr das gemacht haben, was sie sollten, Phasen in denen alte Arbeitgeber meinten, keinen Lohn zahlen zu müssen. Und eben die beschissenen Jahre seit 2021, in denen mein Kopf gerattert hat, wie blöd. Ich völlig fertig war, kaum noch im Stande zu arbeiten, weil ich nach einem halben Tag umgekippt bin. All das kam erst, nachdem für mich feststand, dass wir die Zelte abbrechen müssen, um ihnen zu helfen. Warum ist ganz einfach: Muss mein Vater ins Krankenhaus, ist meine Mutter am Arsch. 2021 hat das gerade noch geklappt. Aber es ist Monat für Monat schlimmer geworden. Heute kann man sie nicht mehr allein lassen. Nur deshalb bin ich hier.

    Wie auch immer, das Kapitel endet bald. Bin gerade zurück von der Vertragsunterzeichnung, ab Montag werden meine Finanzen saniert und in der zweiten Hälfte von 2025 sind wir wieder weg. So der Plan. Ab jetzt muss uns nicht mehr die Häkelstube über Wasser halten. Am 1. kommt ein kleiner Abschlag, am 15. mein erster Lohn und ab dann, bin ich wieder ein “Mensch” bzw. darf mich wieder wie einer fühlen.

    So motiviert war ich die letzten … hmmm … 5-6 Jahre nicht mehr.

    Jetzt noch für die Kleine (hey, das Mädel liegt schon im “Beuteschema” von manch meiner Altersgenossen, aber für mich bleibts immer “meine Kleine”) was finden, was zu ihr passt und bald können wir auch auf die jetzige Zeit zurückblicken und sagen: “Wir drei haben schon ganz schön was durch”. Das schweißt schon zusammen, auch wenn es vielleicht schon oft an der Schmerzgrenze war, daran zu zerbrechen. Schlimmer als dieses Jahr, kann es nicht werden. Ab jetzt bergauf!

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